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Das Bettenhaus des Spitals in Zofingen – derzeit gibt es beim Personal die Befürchtung, das Kantonsspital Aarau (KSA) wolle den Standort schliessen oder verkleinern. Bild: ZT, Rafael Hüssy
22.07.2024

Spital Zofingen – Droht die Schliessung?

Das Spital Zofingen gehört zu den grössten Arbeitgebern der Region. Nun gibt es grosse Diskussionen über die Zukunft des Spitals. Zu sagen, das Spital muss erhalten werden, reicht aus Sicht der Wirtschaftsförderung nicht aus. Es geht um die Gesundheitsversorgung. Finden die Menschen in der Region ein ausreichendes und breites Angebot von Gesundheitsdienstleistungen? Lesen Sie den Beitrag des Zofinger Tagblatts zur drohenden Spitalschliessung und hören oder schauen sie den Beitrag von TeleM1 mit Statements der Grossräte Wacker, Hottiger und Plüss.


Chefin weg, Investition gestoppt, Mitarbeitende verunsichert: Droht dem Spital Zofingen die Schliessung?

Angestellte senden Hilferuf an die Politik, Investitionen wurden sistiert, die Standortleiterin geht – und mehrere Ärzte haben gekündigt. Was ist los?

«Wichtig für uns ist, dass das Kantonsspital Aarau als heutiger Eigentümer unseres Spitals ein Bekenntnis zum Spital Zofingen abgegeben hat und die Zusammenarbeit vertiefen will.» Das sagte Stadträtin Rahela Syed im Mai 2019 beim Spitalverein. Und sie ergänzte: «Der Standort wird dadurch gestärkt und langfristig gesichert.» 2011 hatte das Kantonsspital Aarau (KSA) das Spital Zofingen übernommen, die vollständige Integration erfolgte 2020. In der Mitteilung dazu hiess es, am Standort Zofingen werde festgehalten, die Arbeitsplätze blieben erhalten.

Mit dem Entscheid, das Spital Zofingen als Departement des KSA zu führen, kam es Anfang 2020 zum Führungswechsel. Spitalchef Christian Reize verliess Zofingen, weil sich sein Handlungsspielraum mit der Neuorganisation so verändere, «dass die Funktion nicht mehr der umfassenden Aufgabe eines CEO entspricht». Für ihn wurde Ariella Jucker als Standortleiterin eingesetzt – doch seit dieser Woche ist klar: Die KSA-Führung muss für Zofingen eine neue Leitung suchen.

 

Zofinger Chefin geht nach vier Jahren wieder

Jucker verlässt das Spital per Ende Jahr und tritt Anfang 2025 eine neue Stelle als Chief Operations Officer der Akutsomatik von Frauenfeld und Münsterlingen bei der Thurmed AG an. Unter ihrer Führung seien in Zofingen wichtige Angebote in der Gastroenterologie, Orthopädie oder Kardiologie ausgebaut worden, teilte das KSA am Donnerstag mit. Zudem sei das Spital als Campus der integrierten Versorgung mit Schwerpunkt Altersmedizin konsequent weiterentwickelt und in der Region positioniert worden.

Der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung des KSA haben die Entscheidung von Ariella Jucker gemäss der Mitteilung «mit Bedauern zur Kenntnis genommen». Ein konkreter Grund für den Abgang wird in der Mitteilung nicht angegeben. Dem Vernehmen nach soll Jucker gekündigt haben, weil sie mit den Plänen für die Zukunft des Spitals Zofingen nicht einverstanden gewesen sei. «Das ist falsch», hält KSA-Sprecherin Isabelle Barton fest und verweist darauf, dass Juckers neuer Arbeitsort näher an ihrem Wohnort liege.

Nur ein paar Tage bevor Juckers Abgang publik wurde, wandten sich besorgte und verunsicherte Mitarbeitende des Spitals per Mail an die Zofinger Stadtpräsidentin Christiane Guyer. In der Nachricht, welche dieser Zeitung vorliegt, üben sie Kritik an der KSA-Führung. Trotz jahrelanger Versprechungen einer neuen Strategie, unter anderem durch den neuen Verwaltungsratspräsidenten Daniel Lüscher, sei nichts geschehen.

 

Mitarbeitende befürchten Schliessung des Spitals

Stattdessen würden Unsicherheit und Gerüchte verbreitet, schreiben die Mitarbeitenden und verweisen auf angebliche Aussagen von Lüscher wie: «In Zofingen investieren wir keinen Rappen mehr» oder «die Strategie kann erst nach den Regierungsratswahlen bekannt gegeben werden». Diese Äusserungen lassen aus Sicht der Angestellten «keinen anderen Schluss zu, als dass man Zofingen schliessen möchte». Solche Pläne gebe es nicht, teilt KSA-Sprecherin Barton mit. Der Verwaltungsrat habe 2023 eine Analyse des Leistungsangebots durchgeführt, die eine wichtige Grundlage für die Überarbeitung der Unternehmensstrategie bilde. Der Regierungsrat werde im dritten Quartal 2024 die Eigentümerstrategie für die drei Kantonsspitäler beschliessen. Gestützt darauf werde der Verwaltungsrat die neue Unternehmensstrategie für das KSA festlegen. «Damit eng verknüpft ist die Strategie des Verwaltungsrats für die Spital Zofingen AG», schreibt Barton.

 

Neubau erhält weiterenStock mit 72 Betten

Oft ist in der Region diese Befürchtung zu hören: Der 4. Stock am Kantonsspital Aarau ersetzt das Spital Zofingen, das zu einem ambulanten Zentrum umfunktioniert wird. Ende Juni zeigten Recherchen dieser Zeitung, dass beim Neubau in der Hauptstadt ein Geschoss mit 72 Betten für stationäre Patienten vorzeitig erstellt wird. Dies «aufgrund der hohen Patientennachfrage sowie aus ökonomischen Gründen», hiess es dazu vom KSA. Nun hält Sprecherin Barton fest, es gebe keine Pläne, aus dem Spital Zofingen ein ambulantes Zentrum zu machen.

 

Sanierung des OP-Bereichs in Zofingen auf Eis gelegt

Wenn das Spital Zofingen weiterbetrieben werden soll, müsste der OP-Bereich dringend saniert werden. Dies würde ungefähr zehn Millionen Franken kosten, im Jahr 2022 hiess es an einer Mitarbeitenden-Information, dass die Investition genehmigt sei und die Sanierung nun erfolge. Die neue KSA-Führung habe das Projekt aber auf Eis gelegt, verschoben oder ganz gestrichen.

KSA-Sprecherin Barton schreibt, das Spital Zofingen weise für die nächsten zehn Jahre einen Investitionsbedarf zwischen 60 und 70 Millionen Franken auf. Die Infrastruktur – auch Teile des OP-Bereichs – sei teilweise sanierungsbedürftig. «Die Investitionsentscheide hängen mit dem laufenden Strategiefindungsprozess zusammen, weshalb sie teilweise sistiert wurden», hält sie fest.

 

Geht das Radiologie-Team nach Lenzburg?

In der Zwischenzeit habe der Exodus aus Zofingen begonnen. «Die gesamte Radiologie hat bereits gekündigt», heisst es im Mail. Viele Leistungsträger orientierten sich neu und weitere Abgänge seien absehbar. Die Strategie könnte darauf abzielen, über diesen Effekt Fakten zu schaffen, schreiben die Mitarbeitenden. Die Kündigungen in der Radiologie sind brisant, denn das KSA hat erst kürzlich angekündigt, in Lenzburg ein neues Radiologie-Zentrum einzurichten.

«Es ist korrekt, dass die Radiologie-Ärzte des Spitals Zofingen gekündigt haben», schreibt Barton. Die Kündigungen stünden aber in keinem Zusammenhang mit dem Radiologie-Zentrum in Lenzburg, dieses werde eröffnet, um Wartefristen abzubauen. «Die Ärzte werden die kommenden Monate noch weiterhin in Zofingen arbeiten, eine nahtlose Anschlusslösung ist in Erarbeitung», hält die KSA-Sprecherin fest. Der Entscheid, in Lenzburg ein Radiologie-Zentrum zu eröffnen, stehe in keiner Verbindung zum Spital-Standort Zofingen, betont sie.

 

Stadtrat Zofingen will sich für Standort einsetzen

Wirtschaftlich steht das Spital Zofingen unter Druck. Im Geschäftsbericht 2023 ist trotz Wachstum im stationären Bereich ein Verlust von rund vier Millionen Franken ausgewiesen, während die KSA-Gruppe als Ganzes eine schwarze Null schrieb. Im Vorjahr hatte Zofingen noch einen kleinen Gewinn von 100’000 Franken verzeichnet. «Das Spital gehört letztlich uns allen, wir haben ein gemeinsames Interesse, dass die Versorgung der Bevölkerung weiterhin gewährleistet wird», heisst es im Mail der Angestellten. Insgesamt gehe es um über 800 Arbeitsplätze, und es scheine angebracht, dass sich auch die politische Führung einschalte.

Dem Stadtrat sei bekannt, dass bei Kanton und KSA verschiedene Strategien für den Standort Zofingen diskutiert würden, sagt Stadtpräsidentin Christiane Guyer auf Anfrage. «Dem Stadtrat ist wichtig, dass die Region Zofingen auch in Zukunft eine wohnortnahe ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung hat.» Die lokale Nähe sei vor allem im Notfall zentral. «Sie entspricht zudem der gesundheitspolitischen Gesamtplanung 2030, welche der Grosse Rat im Juni genehmigt hat», so Guyer weiter.

Ein massiver Abbau oder gar eine Schliessung in Zofingen «wäre für die Region eine ganz schlechte Entwicklung, welche zu vermeiden ist». Der Stadtrat sei sich zudem der Bedeutung des Spitals als eines grossen Arbeitgebers bewusst. «Er wird sich im Rahmen seiner Möglichkeiten für den Standort einsetzen.» Eine Delegation habe mit den Verantwortlichen Gespräche geführt, um die Anliegen Zofingens einzubringen – «und damit wir transparent über die Pläne informiert werden».

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Diese Woche wurde der Abgang der Standortleiterin Ariella Jucker bekannt. Sie hatte die Leitung des Spitals Zofingen im August 2020 übernommen. Bild: zvg


TeleM1 Bericht/Interview

 

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